Elon Musk in der Welt am Sonntag: »Klingt das für Sie nach Hitler?«

Elon Musk in der Welt am Sonntag: »Klingt das für Sie nach Hitler?«

Elon Musk sorgt mit seinen Äußerungen ständig für Aufregung. Nachdem er vor Tagen auf seiner X-Plattform schon die AfD geworben hat, schreibt er in einem Gastbeitrag für die »Welt am Sonntag« am 30.12.2024: »Nur die AfD kann Deutschland retten.« Musk sieht die Bundesrepublik »am Rande des wirtschaftlichen und kulturellen Zusammenbruchs« und nennt als Gründe folgende fünf Punkte: wirtschaftliche Wiederbelebung, Zuwanderung und nationale Identität, Energie und Unabhängigkeit, politischer Realismus sowie Innovation und Zukunft.

Beim ersten Punkt »wirtschaftliche Wiederbelebung« sieht er die AfD für den Abbau der Bürokratie und der »staatlicher Überregulierung«. Weiter schreibt er: »Wenn Deutschland seine industrielle Stärke zurückgewinnen will, braucht es eine Partei, die nicht nur über Wachstum redet, sondern auch politische Maßnahmen ergreift, um ein Umfeld zu schaffen, in dem Unternehmen ohne starke staatliche Eingriffe gedeihen können.«

Unter Zuwanderung und nationale Identität schreibt Musk, dass Deutschland seine Grenzen für eine sehr große Zahl an Migranten geöffnet habe. Das führe seiner Meinung nach zu bedeutenden kulturellen und sozialen Spannungen. Die AfD, so meint er weiter, setze sich für eine kontrollierte Einwanderungspolitik ein, die der Integration und dem Erhalt der deutschen Kultur Vorrang einräumt. Eine Nation, so Musk weiter, müsse ihre Grundwerte und ihr kulturelles Erbe bewahren, um stark und geeint zu bleiben.

Beim Punkt »politischer Realismus« behauptet er, dass die traditionellen Parteien in Deutschland versagt haben. Ihre Politik habe zu »wirtschaftlicher Stagnation, sozialen Unruhen und einer Aushöhlung der nationalen Identität« geführt. Er fährt hier mit der Behauptung fort: »Die Darstellung der AfD als rechtsextrem ist eindeutig falsch, wenn man bedenkt, dass Alice Weidel, die Vorsitzende der Partei, eine gleichgeschlechtliche Partnerin aus Sri Lanka hat! Klingt das für Sie nach Hitler? Ich bitte Sie!«

Unter Innovation und Zukunft schreibt er, er habe »Unternehmen nach dem Grundsatz aufgebaut, dass Innovation die Befreiung von unnötigen Zwängen erfordert.« Er behauptet danach, die »Vision der AfD« stehe »im Einklang mit diesem Ethos« und die AfD setze sich für »Bildungsreformen ein, die kritisches Denken anstelle von Indoktrination fördern, und unterstützt die Technologiebranchen, die die Zukunft der globalen wirtschaftlichen Führerschaft darstellen.«

Zum Schluss meint er, die AfD könne »Deutschland davor bewahren, ein Schatten seines früheren Selbst zu werden« und behauptet, die AfD führe das Land in eine Zukunft, »in der wirtschaftlicher Wohlstand, kulturelle Integrität und technologische Innovation nicht nur Wunschvorstellungen, sondern Realität sind.« Deutschland habe es sich, so Musk weiter, in der Mittelmäßigkeit zu bequem gemacht. Zum Schluss appelliert an die Leser: »Es ist Zeit für mutige Veränderungen, und die AfD ist die einzige Partei, die diesen Weg eröffnet.«

Wie sehr diesem Gastbeitrag Gewicht beigemessen wird, zeigt sich schon an der ungewöhnlich starken Reaktion aller wichtigen Medien und der Politik. In der Welt am Sonntag wurde der Gastbeitrag angeblich kontrovers diskutiert. Die zuständige Redakteurin für Meinungsbeiträge Eva Marie Kogel hat prompt gekündigt. Auch Franziska Zimmerer, Ressortleiterin Community und Social meldet sich mit dem Beitrag »Warum ich diesen Beitrag nicht gedruckt hätte« zu Wort.

Die etablierten Parteien regen sich über die Äußerungen und die damit verbundene Wahlhilfe für die AfD auf. So sagt Saskia Esken von der SPD: »Wer unsere Wahl von außen zu beeinflussen versucht, wer eine antidemokratische, menschenfeindliche Partei wie die AfD unterstützt, sei die Einflussnahme staatlich organisiert aus Russland oder durch die geballte Geld- und Medienmacht von Elon Musk und seinen Milliardärsfreunden im Konzernvorstand von Springer, der muss mit unserem harten Widerstand rechnen.«

Der CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz sagte, er könne sich »nicht erinnern, dass es in der Geschichte der westlichen Demokratien einen vergleichbaren Fall der Einmischung in den Wahlkampf eines befreundeten Landes gegeben hat.« Der stellvertretende Bundestagsfraktionsvorsitzende der Grünen meint zu dem Gastbeitrag: »Einem westlichen Oligarchen wie Musk eine Plattform zu bieten für diese Demokratiefeinde und Rechtsstaatverächter zu werben, ist schlicht geschichtsvergessen.«

Liest man sich die Argumente von Musk genauer durch, fragt man sich: Warum jetzt dieser Wirbel? Zum einen liegt das meiner Meinung daran, dass die Welt am Sonntag zu den Medien gehört, die noch einen guten Namen haben. Dass sie die Äußerungen Musks abdruckt, verhilft der AfD eindeutig zu mehr Ansehen. Der Eindruck entsteht, dass sich die Welt am Sonntag vor den Wahlkarren der AfD spannen ließ. Auch die Gegendarstellung des Chefredakteurs Jan Philipp Burgard auf der Seite des Gastbeitrag von Musk ändert daran nichts.

Der andere Grund für den Sturm der Entrüstung liegt in der Bedeutung von Musk. Er ist kein Niemand oder ein Spinner, sondern ein sehr schlauer Geschäftsmann. Er hat den Niedergang der amerikanischen Automobilindustrie praktisch im Alleingang gestoppt, die früher mit General Motors, Ford und Chrysler Autos von Weltruf produzierten. Durch seinen Einfallsreichtum ist er zum reichsten Mann der Erde geworden. Das beeindruckt. Mancher Wähler in Deutschland wird denken, wenn jemand wie Musk die AfD empfiehlt, kann das doch nicht komplett verkehrt sein.

Die Reaktionen der deutschen Politiker erwecken den Eindruck, dass sie anscheinend komplett vergessen haben, dass es sich bei Musks Gastbeitrag um eine Meinungsäußerung handelt. Solange die AfD nicht verboten ist, ist eine Empfehlung für diese Partei durch unser Grundgesetz geschützt. Kein einziger Politiker hat sich angesichts der Wahlempfehlung selbstkritisch gefragt: Wie konnte es dazu kommen, dass jemand wie Musk die AfD überhaupt empfehlen kann, ohne dass wir dabei laut loslachen? Die Antwort: Die in weiteren Teilen rechtsextreme AfD ist laut Umfragen momentan die zweitstärkste deutsche Partei.

Das Problem an der Empfehlung von Musk ist also, dass er durchaus nachvollziehbare Argumente ganz bewusst mit der Empfehlung für eine rechtsorientierte Partei verbindet, die eine erhebliche Bedeutung erlangt hat. Der Grund, warum die AfD diese Bedeutung erreicht hat, ist in der Politik zu suchen. Die AfD-Wähler wollen den traditionellen Parteien einen Denkzettel verpassen. Die etablierten Parteien haben sich jahrelang damit begnügt, wichtige Probleme auszusitzen. Sie mussten sich nicht anstrengen, denn es gab keine Alternativen.

Nun ist das anders. Wer mit konservativen bis rechtsextremen Ansichten sympathisiert, und gegen die etablierte Politik protestieren will, wählt vielfach die AfD. Wer hingegen gegen die etablierte Politik protestieren will und nicht mit der AfD sympathisiert, wählt vielfach BSW. In den etablierten Parteien ist so wenig Selbstkritik vorhanden, dass sie nicht verstehen, dass die Meinungsäußerung von Musk eine schallende Ohrfeige für sie ist. Sie verstehen nicht, dass Musk so agiert, weil sie selbst die Grundlagen dafür geschaffen haben.

Die Frage stellt sich also: Welche Strategie verfolgt ein Techniker und Unternehmer wie Musk? Warum äußert er sich in einer namhaften deutschen Tageszeitung besorgt über die Zukunft unseres Landes? Will er Deutschland wirklich vor dem Abgrund retten, indem er uns empfiehlt, die AfD zu wählen? Was würde bei einer Regierungsbeteiligung der AfD wirklich passieren? Würde sich alles zum Positiven wenden? Ich finde es sonderbar, dass sich kaum jemand diese Fragen stellt.

Musk ist kein Menschenfreund. Seine Äußerungen und die generelle Mentalität der US-Industrie sind auf Verdrängung ausgelegt. Ob man US-Computerunternehmen wie Microsoft oder eben Tesla nimmt – allen diesen Firmen ist gemein, dass sie einem Raubtier-Kapitalismus folgen: Wer zu schwach ist, wird gefressen. Wer gefressen wird, hat es verdient. Er ist zu schlecht, um in diesem System zu überleben. Wer sich unvorsichtig umarmen lässt, wird vor Liebe erdrosselt.

Musks Äußerungen ergeben, wenn man sich auf die vorher genannten Thesen etwas einlässt, plötzlich sehr viel Sinn. Wenn er es schafft, Deutschland weiter zu destabilisieren, legt er den wirtschaftlich bedeutendsten Motor Europas lahm. Musk hat Verbindungen zu Rechtspopulisten in ganz Europa aufbaut. Sie stehen für Separatismus und somit für einen Zerfall von Europa. Er erhofft sich anscheinend durch die Unterstützung der rechten Parteien, Europa zu destabilisieren, um es zu schwächen.

Musk nützt also mit seinem Gastkommentar nur die eklatanten Schwächen der jahrzehntelangen politischen Agonie Deutschlands aus. Nur ein paar Beispiele: Keine überzeugte Einwanderungspolitik, eine seit Jahren verfehlte Bildungspolitik, naives Know-how-Outsourcing in Richtung China zum Beispiel beim Fahrzeugbau, verfehlte Energiepolitik mit einer kritischen Abhängigkeit von Russland, ein Europa der Bürokratie und ein technischer Rückstand im Bereich der Computerindustrie von Jahren, wenn nicht sogar Jahrzehnten.

Deutschland ist nicht mehr ein Land der Ingenieure, Naturwissenschaftler oder Softwareentwickler. Es ist ein Land der Rechtsanwälte, Betriebs- und Volkswirtschaftler und Verwaltungsangestellten geworden. Diese bestimmen unsere Geschicke, obwohl sie viele technischen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte nicht oder nur ungenügend verstehen. Hier wird von Computern, Software, Digitalisierung oder künstlicher Intelligenz gefaselt, ohne zu verstehen, um was es wirklich geht.

Die Politik und die Leitung vieler bedeutender deutscher Firmen hierzulande nicht begriffen, wie wichtig eine gute Allgemeinbildung, die Förderung eigener technische Kompetenzen wie Softwareentwicklung und Chipproduktion sowie unabhängige Energieressourcen für eine Techniknation wie Deutschland sind. Das hat zu einer gefährlichen Abhängigkeit von US-Computerunternehmen, von Energielieferungen aus Russland und zu einer Verlagerung der Güterherstellung nach China geführt. Es wird höchste Zeit, dies zu ändern.

Weiter lesen:
Welt am Sonntag: Warum Elon Musk auf die AfD setzt und warum er dabei irrt

Schreibe einen Kommentar