Prozessoptimierung durch Digitalisierung
Digitalisierung ist (neben KI) das IT-Schlagwort unserer Tage. Wenn ich mit Nichttechnikern über dieses Thema spreche, habe ich den Eindruck, dass Digitalisierung oftmals missverstanden – oder besser – relativ oberflächlich interpretiert wird. Die meisten Leute sehen, jedenfalls aus meiner Sicht, nur die Spitze des Eisbergs der Digitalisierung. Sie sehen nicht die Möglichkeiten, ineffiziente Prozesse zu reformieren und durch Prozessoptimierung den Wirkungsgrad einer Firma oder Behörde zu steigern. Digitalisierung kann weit mehr leisten, als ein Papierdokument in ein vom Computer lesbares Format zu bringen. Wenn man sich zwei unterschiedliche Beispiele ansieht, wird das besser deutlich:
Ein Buch soll digitalisiert werden. Es liegt danach beispielsweise als PDF vor und kann damit auf dem Computer gelesen werden. Was hat man durch die Digitalisierung gewonnen? Man spart Papier. Zudem kann das PDF-Dokument ohne oder mit geringen Mehrkosten mehrfarbig gestaltet werden. Das allerwichtigste: Wenn das Buch als echtes Textdokument vorliegt, kann der Leser Textstellen suchen und digital kommentieren. Auch in diesen Kommentaren lässt sich suchen. Für Fachbücher ist die Suche ein extrem wichtiges Argument für die Digitalisierung. Zudem kann man seine Fachbibliothek platzsparend auf seinem Computer unterbringen und veraltete Bücher einfach löschen.
Abseits der Fachbücher sehen die Vorteile und Nachteile einer Digitalisierung anders aus: Es geht ein Großteil der Attraktivität eines Buchs verloren. Einen Computer muss man einschalten. Er benötigt Strom. Der Kontrast zum Lesen ist manchmal nicht optimal. Zudem blockieren manche Lesegeräte über längere Zeit oder stürzen sogar ab. Das wichtigsten Thema ist aber: Man verliert ein Stück Kultur. Man schaue sich nur Kunstwerke wie die Gutenberg-Bibel oder die Schedel’sche Weltchronik live an und man versteht sofort, dass Digitalisierung hier ganz deutlich ein Rückschritt wäre.
Ein anderes Beispiel: Die Züge eines Eisenbahnunternehmens sollen eine Bordgastronomie mit einem Service am Platz bekommen. Der Zug soll 400 m lang sein. Die Wege für die Gastronomen vom Bordrestaurant zum Fahrgast sind entsprechend weit. Der nicht digitalisierte Prozess sieht grob beschrieben so aus, dass der Bordgastronom zu den Fahrgästen geht und die Bestellung aufnimmt. Er hat auch noch eine Kollegin, die in einem anderen Zugteil ebenfalls mit der Bestellaufnahme beschäftigt. Beide nehmen dann die Papierbestellung und gehen Richtung Restaurant, wo aus der Bestellung ein Arbeitsauftrag für die Küche und/oder Theke wird.
Im Lauf der Zeit gehen, je nach Bestellaufkommen, die Vorräte an Bord zur Neige. Es passiert immer häufiger, dass der Bordgastronom oder seine Kollegin mit einer Teilbestellung oder sogar leeren Händen zum Fahrgast zurückkehrt. Der ist natürlich sauer und muss sich eine Alternative überlegen – ohne dass er eine Garantie bekommen kann, dass es diesmal zu einer kompletten Bestellung kommt. Sie sehen, dass das ein vollkommen antiquierter Prozess im Computerzeitalter ist. Wie kann er verbessert werden?
Dazu benötigen wir zunächst ein WLAN an Bord, einen zentralen Computer, bei dem sämtliche Bestellungen auflaufen, mehrere Telefone oder Tablets für die Bordgastronomen und natürlich eine Softwarelösung für die elektronische Bestellaufnahme, -verarbeitung und Abrechnung. Der Prozess, wieder sehr grob beschrieben, sieht vollkommen anders aus: Der Bordgastronom geht zum Fahrgast, der sich bereits über eine digitale Speisekarte über das Angebot und die Verfügbarkeit informiert hat. Er hört sich den Bestellwunsch an und kann sofort sagen, ob die gewünschten Getränke und Speisen im Moment der Bestellung noch vorhanden sind.
Nimmt er dann die Bestellung auf, blockiert er damit die gewünschten Getränke und Speisen, so dass sie für diesen Kunden garantiert sind. Der Zähler des zentralen Computers bekommt umgehend die Information, reduziert den Vorrat und kann die Bestellung an die Küche weiterleiten. Es ist möglich, dass der Computer entscheidet, dass nicht der Bordgastronom, der die Bestellung aufgenommen hat, sie ausliefert, sondern zum Beispiel eine Kollegin, die sich gerade in der Nähe des Restaurants befindet. Zudem aktualisiert der Computer automatisch die Speisekarte und teilt allen Fahrgästen die augenblickliche Verfügbarkeit der Getränke und Speisen mit.
Wenn die Vorräte zur Neige gehen und die zu fahrende Strecke noch lang genug ist, kann der Zug beim nächsten Halt wieder neue Vorräte an Bord nehmen, sofern das vom zentralen Logistiksystem des Eisenbahnunternehmens als sinnvoll eingeschätzt wird. Zum Schluss, am Ende der Schicht, lässt sich die Abrechnung einer Fahrt im Vergleich zum Papierprozess ganz einfach vornehmen und auch noch an die Zentrale des Eisenbahnunternehmens weiterleiten, wo sie in ein Buchhaltungssystem übernommen wird. Das Beispiel zeigt deutlich, dass der Kern einer guten Digitalisierung die fachlichen Prozesse revolutionieren kann. Ein Musterbeispiel für Krankenhäuser und Behörden.
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