Karthago Nova
In einem offener Brief an die deutschen Künstler und Schriftsteller schrieb Bertold Brecht im Jahr 1951: »Das große Karthago führte drei Kriege. Nach dem ersten war es noch mächtig. Nach dem zweiten war es noch bewohnbar. Nach dem dritten war es nicht mehr aufzufinden.« »Anlass für Brechts Worte sind die ersten Anzeichen für eine Remilitarisierung der jungen Bundesrepublik«, so schreibt der Deutschlandfunk in einem Beitrag über den offenen Brief von Brecht. Auch wenn das »nur« die Meinung eines Schriftstellers war, sollte uns das heute noch zu denken geben: Sollen wir weiter genehmigen, Atomwaffen in Deutschland zu lagern?
Es ist wahrscheinlich nicht vielen Bürgerinnen und Bürgern bekannt: Allein die USA lagerten in Deutschland nach Schätzungen von Experten zeitweise bisher rund 5000 Atomwaffen. Zur Zeit sind es laut Greenpeace noch mindestens 20 Atombomben. Obwohl viele Politiker den Abzug aller Atomwaffen aus Deutschland forderten, kam es laut dem Wikipedia-Artikel »Kernwaffen in Deutschland« nie dazu. Trotzdem wird sich immer wieder darüber lustig gemacht, wenn Menschen für eine nukleare Abrüstung eintreten. Oliver Welke sagte in der heute-show vom 18.10.2024 wörtlich: »Ich meine, wir sind doch längst die Ziellinie russischer Raketen.«
Das kann sein, aber warum und was folgt daraus? Da wir nichts daran ändern können, sollen wir weiter nichts dagegen unternehmen, dass Atomwaffen in Deutschland gelagert werden? Wollen wir wirklich riskieren, dass unser Land erneut zur Zielscheibe eines Kriegs werden würde, aber diesmal noch verheerender als zuvor? Warum, wenn die Frage gestattet ist, entwickelt man nicht in Europa rein defensive Waffen, um uns vor Angriffen jeglicher Art (militärische und Terrorangriffe) mit Marschflugkörpern, Atomraketen etc. zu schützen? Aus meiner Sicht ist es kritisch, sich mit dem National MissileDefense in die Abhängigkeit der US-Regierung zu begeben.
Ich halte weder US-Atomwaffen auf deutschen Boden noch russische Atomraketen, die auf Deutschland oder Europa gerichtet sind, für akzeptabel. Meiner Meinung nach rechtfertigt aber Russland seine Atomraketen, die auf Deutschland gerichtet sind, durch die hierzulande stationierten Atomwaffen. Wären in Deutschland nur defensive Waffen vorhanden, könnte die russische Regierung ihre atomare Bedrohung nicht begründen. Wie umstritten ein solches Gleichgewicht des Schreckens ist, zeigt sich daran, dass sich selbst ein Hardliner wie der ehemalige US-Verteidigungsminister Robert McNamara für eine »bedingungslose weltweite atomare Abrüstung« eingesetzt hat.
Der atomare Schutzschirm, so schreibt der Historiker, Germanist und politischer Publizist Karl D. Bredthauer, sei kein Schutzschirm, sondern ein Damoklesschwert. Im kalten Krieg gab es mehrmals die Situation, wo wir einem atomaren Inferno nur knapp entkommen sind (siehe Bernd Greiner: »Spiel mir das Lied vom Tod«). Bevor alles zu spät ist, sollten wir, wie Karl D. Bredthauer zurecht schreibt, dieses Abschreckungsdenken endlich »prinzipiell in Frage« stellen.
Weiter lesen:
Deutschlandfunk: Offener Brief von Bertold Brecht
Wikipedia: Kernwaffen in Deutschland
Greenpeace: Atombomben in Deutschland
Wikipedia: Punische Kriege
Bernd Greiner: »Spiel mir das Lied vom Tod«
Karl D. Bredthauer: »Atomarer Schutzschirm? Ein Damoklesschwert!«
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